Polyamorie

Warum Monogamie ein gesellschaftliches Konstrukt ist

Polyamorie : Ich habe lange darüber nachgedacht ob ich das hier schreibe oder nicht. Immerhin betrifft es nicht nur mich sondern auch meinen Mann, wenn ich öffentlich darüber schreibe.

Wobei ich im privaten Umfeld schon lange kein Geheimnis mehr daraus mache, dass mich das Thema Polyamorie reizt.

Um den Anfang zu finden. Als ich meinen Mann kennenlernte war ich Anfang 20 und völlig unerfahren. Ich bin in einem schwierigen Umfeld aufgewachsen. Ich war anders als andere und hatte Schwierigkeiten Kontakte zu knüpfen. Von Beziehungen ganz zu schweigen.

Deshalb war es nicht weiter verwunderlich, dass er mein erster Freund und Sexualkontakt war. Und bis heute ist er auch der einzige. Das mag wenige verwundern, schließlich sind wir verheiratet und selbst wenn nicht, ist sexuelle und emotionale Treue der Standard unserer Gesellschaft.

Polyamorie wenn etwas fehlt aber nichts falsch ist

Mein Mann hatte es bereits damals gewusst, dass der Zeitpunkt kommen wird. Viele haben es mir sogar damals schon gesagt. Bleib nicht am ersten hängen, mach Erfahrungen etc. Aber wenn der erste nun mal der richtige ist und das war ohne Zweifel, warum sollte man das aufgeben. Also blieben wir zusammen. Und ich war lange Zeit einfach glücklich wie es war. Sogar sehr lange. Immerhin sind mehr als 16 Jahre vergangen. Und als wir vor 3 Jahren geheiratet haben, hab ich auch noch keinen Gedanken daran verschwendet, dass mir was entgehen könnte.

Aber ich beobachte auch andere Paare in ihren Beziehungen und vor allem beobachte ich die Entwicklung der Gesellschaft. Die Gesellschaft hat das Wort Lebenspartner durch den politisch korrekten Begriff Lebensabschnittspartner ersetzt. Warum? Weil wir uns zur seriellen Monogamie weiter entwickelt haben. Weil es uns nicht in den Sinn kommt mehr als einen Partner zu haben, sei es emotional oder sexuell. Deshalb beenden wir auch gut funktionierende Beziehungen oder setzten sie durch Untreue aufs Spiel, anstatt mit dem Partner zu reden.

Offene Beziehungen

Ich hab mich also mit meinem Mann und mir selbst auseinander gesetzt. Fakt ist, er bleibt der eine. Der Seelenverwandte wenn man es kitschig ausdrücken will. Ich habe kein Interesse ihn zu verlassen. Aber ich habe Interesse an anderen Menschen (vorzugsweise Männer). Ich habe emotional heute auch deutlich mehr zu geben als vor 16 Jahren. Da war ich emotional mit einer einzigen Beziehung schon mehr als bedient. Ich hatte nicht mal Freunde.

Heute kann ich aber nicht genug haben. Ich will, erstens nie wirklich alleine sein. Ich will mit Menschen reden, was unternehmen und ja ich will auch sexuell mehr als nur diese eine Erfahrung im Leben haben.

Das Prickeln bei etwas neuem kann man in einer monogamen Beziehung irgendwann einfach nicht mehr haben.

Weil ich niemandem gehöre

Ich gehöre nur mir selbst und man kann Beziehungsparameter anpassen. Und genau das haben wir getan. Wir haben uns gegenseitig die Freiheit zugestanden andere Menschen zu treffen und dabei nicht darauf achten zu müssen wie weit man geht.

Wir definieren es jetzt mal als offene Beziehung. Jeder hat die Möglichkeit andere Leute zu treffen und mit denen was anzufangen, aber es ist nicht nur auf Sex reduziert. Denn wenn ich seit wir diese Vereinbarung haben eins gemerkt habe, dann dass ich ohne emotionale Verbindung keinen Sex haben kann.

Ich habe es versucht. Ich habe mich auf Dating Portalen registriert, die genau das anbieten. Aber ohne emotionale Verbindung zu der anderen Person fühle ich nichts, auch körperlich geht da nichts bei mir.

Deshalb habe ich meine Versuche dahin gehend eingestellt.

Aber die Vereinbarung bleibt aufrecht und gibt mir die Möglichkeit mich für meine Gefühle erstens nicht zu schämen und zweitens wenn diese auf Gegenseitigkeit beruhen, sie auch auszuleben und zu schauen wohin es mich führt.

Ich interessiere mich nicht bloß für Polyamorie, ich bin polyamor.

Polyamorie – Ein Konzept mit Zukunft und Vergangenheit

Also nicht falsch verstehen. Ich sage nicht, dass es falsch ist treu zu sein. Im Gegenteil, hinter dem Rücken des Partners fremdgehen ist das letzte. Man sollte einfach immer offen zueinander sein.

Die Bildersuche für Polyamorie zeigt leider auch ein falsches Bild. Polyamorie heißt nicht, dass jeder jeden liebt und man zu 3. oder mehr Personen Sex hat wie bei „You me her„.

Es geht nur darum, dass jeder weiß woran er ist und keiner exklusive Rechte an der anderen Person hat. Davon sollten wir uns sowieso verabschieden, genauso wie von Eifersucht, denn diese ist ohnehin nur im Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit begründet. Eifersucht heißt, man glaubt ein anderer/eine andere kann dem Partner etwas geben, was man selbst nicht geben kann und die Angst deshalb verlassen zu werden.

Ist man aber gleich offen zueinander kann man klar stellen, dass es nicht zur Trennung kommen wird, solange sich in der Beziehung zueinander nichts ändert.

Trennungsgründe

Natürlich heißt das nicht, dass es nicht trotzdem mal zur Trennung kommen kann, aber die Gründe sollten niemals in der Liebe liegen. Natürlich verändern sich Menschen, mal zum besseren, mal zum schlechteren und manchmal einfach nur so, dass man nicht mehr zusammenpasst und dann ist eine Trennung natürlich empfehlenswerter als eine Umstellung auf Polyamorie. Weil man die Probleme mit dem einen Partner zum anderen mitträgt.

Wenn ihr euch fragt, versucht einfach euch vorzustellen ohne den Partner zu leben, nicht nur kurz sondern denkt es durch. Fragt euch was euch fehlen würde, was nur dieser eine besondere Mensch euch geben kann und solange dass da ist, gibt es keinen Grund zur Trennung.

Liebe ist Liebe und für alle Menschen da und wenn wir die gesellschaftlichen Strukturen aufbrechen, sind auch insgesamt weniger Menschen alleine.